Künstlerhaus, Wien
Zur Ausstellung im Wiener Künstlerhaus 1990
Dr. Traude Hansen
Kulturjournalistin des ORF
Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Ich vertrete heute sehr gern den Präsidenten des Künstlerhauses Hans Mayr. Ich habe Beatrix Kaser zwar nur kurz, aber intensiv kennengelernt. Ich schätze sie und ihre Arbeit sehr.
Sie können hier eine Auswahl ihrer Arbeiten aus Sisal sehen. Sisal ist ein Material, das nur selten verwendet wird. Beatrix Kaser hat sich durch viele Jahre hindurch mit diesem Material vertraut
gemacht, d.h. dass sie mit ihm auch vertraut ist.
Jene Raumskulpturen und Objekte, die sie schafft, strömen einen eigenen Zauber aus. Sie sprechen von harter Arbeit ebenso wie von viel Phantasie. Sehen Sie sich das an oder fühlen Sie. Die
Arbeiten zeugen von Einfühlungsvermögen und von jenen Eigenschaften, die meist nur einem Künstler zu eigen sind. Das sind Fleiß, Können, Durchhaltevermögen, Ehrgeiz sowie das Wissen um
Materialien und deren Eigenschaften.
„ Das Material, seine Struktur, die Farben inspirieren mich zu meinen Arbeiten", sagt Beatrix Kaser. Sie hat eine eigene Technik entwickelt, sie arbeitet mit einem Rahmen. Dort entstehen ihre
textilen Objekte aus Sisal, einer Faser der Agave. Es sind meist im Raum stehende und schwebende Plastiken mit malerischen Effekten.
Beatrix Kaser versteht viel davon, das Eigenleben von Strukturen und Geweben zu zeigen. Sie setzt sich vital und dynamisch, aber auch kontemplativ und mit viel Liebe mit Materialien auseinander.
Das ist nur selten im täglichen Lebensbereich und in der Textilkunst zu finden. Die textilen Plastiken der Künstlerin sind oft aus einzelnen Teilen zusammengesetzt. Ihr eigentliches Grundthema
hängt damit zusammen. Beatrix Kaser will die Verwundbarkeit des Menschen deutlich machen. Sie will offenbar die Verletzbarkeit der Welt und Umwelt aufzeigen. Wenn sie uns in baum- geäst oder
tier- manchmal auch menschenähnlichen Gebilden raumbestimmende, gewebte Skulpturen zeigt, dann wird jeder erkennen, dass diese Künstlerin Symbole schaffen möchte und es auch kann. Es sind Symbole
für ein besseres Verständnis für die Natur, Symbole für unser manchmal sehr schwächlich ausgeprägtes Verstehen wollen und für das, was auf der Umwelt und Tagesordnung steht.
Beatrix Kaser zeigt uns wie verletzbar und verwundbar unsere Welt geworden ist und sie ruft uns über die Betrachtung ihrer Kunstwerke zum Schauen, Nachdenken und Überlegen auf.
Sehr positiv und faszinierend sind die Farben, die Beatrix Kaser für ihre Sisal-Objekte verwendet. In ihren Arbeiten stehen kompakte, komprimierte und schwere Formen und Farben jenen gegenüber,
die leicht, luftig, durchlässig und fröhlich sind.
Beatrix Kaser möchte nicht erklären oder interpretieren. Statt langer Gespräche oder geschriebener Worte arbeitet sie mit ihren Gedanken und Gefühlen, die sie in ihr Werk einbringt und möchte so
auf den Betrachter einwirken.
Ich möchte abschließend sagen, dass jeder, der eine der gewebten Raumskulpturen von Beatrix Kaser erleben und fühlen kann oder sie sogar zu Hause weiß, sich mit ihnen unterhalten kann. Er kann
sich erbauen lassen von etwas, das über den herkömmlichen Rahmen hinausgeht. Er kann aber auch ganz stillhalten. Auf jeden Fall wird er erleben, dass Künstler wie Beatrix Kaser Puls fühlen und am
Puls der Zeit sein können. Nur so können Werke entstehen, die das Herkömmliche in Frage stellen und gleichzeitig das Bemühen bergen, begreifen zu lernen.
Mit ihren menschen-, manchmal baum-, manchmal insektenähnlichen Raumskulpturen erzählt uns die Künstlerin von einer Welt, die im Absterben ist, jedoch immer noch gerettet werden kann. Beatrix
Kaser ist eine Künstlerin, die einen einsamen Weg in der Kunst geht. Sie formt mit den Händen Dinge, an die wir glauben, auf die wir vertrauen können. Jeder echte Künstler - so sage ich- weiß um
seine Aufgabe.
Dr. Traude Hansen
Kulturjournalistin des ORF